Raabenwolle

Spinnstuhl

Diesen schönen Spinnstuhl habe ich Mitte 2023 in Hannover gekauft und seitdem wartet er auf seine Überarbeitung… jetzt, im Februar 2024, habe ich endlich Zeit und Lust gehabt, mich an das schöne Stück zu wagen, das nach genauem Hinsehen doch in sehr marodem Zustand war. Lange hatte ich überlegt, den Stuhl vielleicht doch lieber im Originalzustand zu belassen – doch der Gesamtzustand hätte eine Benutzung nicht zugelassen: der Stuhl war instabil. Einige Hölzer waren schon ersetzt worden – leider mit anderen Holzarten. Dazu kamen die viel zu kurzen Stuhlbeine und die schlecht erhaltenen Oberflächen… so hatte ich mich letztlich entschieden, das hübsche Stück einfach nach Gutdünken und meinen Möglichkeiten zu überarbeiten.     

Der Stuhl wurde um 1955 in Hildesheim bei einem Möbelantiquariat gekauft. Das Ehepaar, welches den Spinnstuhl kaufte, ersetzte das marode Binsengeflecht durch einen Polsteraufsatz mit selbst gewebtem Stoff mit Zickzackmuster. So berichtete es mir die Verkäuferin, welche den Haushalt Ihrer Eltern auflösen musste und den Stuhl via Kleinanzeige angeboten hatte.  Ich hatte mich in das hübsche Möbel verguckt und konnte es für ein „ganz kleines Geld“ kaufen. Besonders die offenbar handgeschnitzte Schneckenverzierung am Ende der rechten Armlehne und die Kreise in der Rückenlehne hatten es mir angetan. Beim Kauftermin musste ich jedoch feststellen, dass die Stuhlbeine gute 10cm abgesägt worden waren… Tja, egal. Da würde ich würde schon irgendeine Lösung finden, machte ich mir gedanklich selbst Mut.

Zunächst habe ich den ganzen Stuhl soweit auseinander genommen, wie es nötig war: einige Leimstellen hatten sich komplett losgewackelt. Zum Beispiel die quadratische Sitzfläche, ein Bein, die Armlehne und deren Lehnen-Stütze. Je mehr ich überprüfte, um so mehr fand ich lose Verbindungen. Zum Glück hatte ich die meterlangen Schraubzwingen meines Schwiegervaters aufgehoben, der Tischlermeister war. Zwei Tage habe ich alles geleimt, was lose war, und die Stellen gut trockenen lassen.

Dann habe ich mir die zu kurzen Stuhlbeine vorgenommen und kurzerhand Löcher hineingebohrt um Holzdübel einzusetzen. Ein anderer Stuhl in unserem Hausstand war so kaputt, das er nicht mehr retten war – und der musste seine Beine hergeben. Besonders die vorderen, runden Stuhlbeinfüße gefielen mir sehr. Diese Stücke habe ich ebenfalls angebohrt und mit Leim an den Holzdübeln und somit an die Stuhlbeine angeklebt. Die angesetzten Stücke waren jedoch rund – die Stuhlbeine des Spinnstuhls jedoch eckig. Also habe ich Holzkitt angerührt und die Übergänge modelliert und diese später in Form geschliffen.

Blieb noch die Tatsache, das die angesetzten Stücke ursprünglich dunkel gebeizt worden waren, während der Stuhl naturfarben war. So kam ich auf die Idee, den Stuhl zweifarbig zu gestalten. Außerdem würde er dann schön zu meinem alten Schwedenrad passen. Natürlich nur rein optisch: von der Epoche und dem Stil her gehören sie selbstverständlich nicht zueinander! So habe ich den ganzen Stuhl gut geschliffen, damit die schwarze Beize gut hält. Ein paar Stellen wollten dennoch nicht gut Farbe annehmen; denn offenbar war der Stuhl bereits mehrfach geölt und auch lackiert worden. Keine Chance, das alles weggeschliffen zu bekommen, denn der alte Lack war zu tief ins Holz gezogen.

Am nächsten Tag konnte der Stuhl, welcher Zeit hatte, zu trocknen, dann mit meiner Lieblingslasur offenporig geölt werden. nach gut einer Stunde habe ich ihn noch abgerieben, um glänzende Stellen beim trocknen zu vermeiden: das gibt zudem einen schönen, seidenmatten Glanz.

Ursprünglich hatte ich vorgehabt, die Sitzfläche wieder mit Binsen flechten zu lassen – oder das womöglich auch selbst zu tun. Doch meine liebe Marianne hatte (bereits im Herbst des letzten Jahres) auf dem Sperrmüll im Ort Binsengeflecht-Stühle stehen sehen… und dort hatte ich tatsächlich ein intaktes Stuhlpolster abstauben können. Das passte genau in die Sitzgeflecht-Aussparung des Stuhls! Super! Dieses Polster habe ich gereinigt und geölt, damit die Binsen wieder schön geschmeidig werden und bei der Benutzung nicht kaputtbröckeln. Das gute Stück noch fix am Holz festgenagelt und „schon“ ist der Stuhl fertig!

Spinnstühle haben meist nur für den rechten Arm eine Armlehne, da man früher oft im sogenannten „langen Auszug“  gesponnen hat. Dabei braucht man für den linken Arm Bewegungsfreiheit denn er wird vom Körper in einer fließenden Bewegung weggeführt, während in der Hand der Wollvorrat gehalten wird. Beim langen Auszug greift der entstandene Drall selbsttätig in den Wollstapel und zieht eine einheitliche Menge Fasern heraus. So entsteht ein wunderbar weicher und (bei entsprechender Übung) gleichmäßiger Faden.