Raabenwolle

Antiquität „Viktorianisches Spinnrad“

Manchmal bin auch ich online auf einschlägigen An- und Verkaufsportalen unterwegs – „nur mal gucken“, was so angeboten wird. Ich gestehe! Seit ich im Jahr 2013 mit dem Handspinnen an Rad und Handspindel angefangen habe, interessiere ich mich für die verschiedensten Arten von Spinnrädern. Und ich glaube, mich inzwischen recht gut auszukennen … zu erkennen, welches Rad von welcher Marke ist, ist ja kein Hexenwerk. Obwohl es recht viele Hersteller weltweit gibt, ist die spinnende Community recht gut vernetzt und man kann sich die neuen Räder recht schnell „draufschaffen“. Was mich dagegen fasziniert, sind die „alten Räder“: liebevoll getischlerte Ziegen, hübsch gedrechselte Bockräder – und auch das Zubehör:  große Stand-Mühlenhaspeln, grobe Hechelbanken für Pflanzenfasern, archaische Flachsbrecher.

Doch das, was ich am Jahresanfang als Angebot bei „IhBäh“ 🙂  zu sehen bekam, verschlug mir die Sprache und faszinierte mich sofort: so ein exklusives Spinnrad hatte ich noch nie zuvor gesehen! Ohne genau zu wissen, was es ganz genau war, ahnte ich doch sofort: das hier ist was ganz Besonderes! Leider zögerte ich ein paar Stunden zu lange – und auf meine Anfrage kam leider ein: „tut mir leid, ich habe es schon versprochen“. Mein Frust wuchs noch, da ich feststellte, das passend zum Rad eine ebenso fein-filigrane Mühlenhaspel mit Glockengeläut angeboten wurde! Ich sage Euch, ich war ein paar Tage echt schlecht gelaunt… so ein schönes Set gehört zusammen und ich hätte es so gern gekauft. Nun denn, so sollte es wohl sein.

Doch manchmal gibt es wohl keine Zufälle … einige Wochen später kam eine nette sms der Verkäuferin, ob ich noch Interesse hätte – die Käuferin sei letztendlich abgesprungen. Na klar wollte ich! Sofort! Unbedingt! Wahnsinn! So habe ich mich schon lange nicht mehr gefreut! Und so habe ich mich bei schönstem Frühlingswetter im März 2019 Richtung Hamburg aufgemacht, um die beiden Schätze anzusehen und zu kaufen. Und die Entscheidung fiel mir so leicht, denn Beides war in phantastischem, originalen Zustand mit nur zwei minimalen Beschädigungen.

Das Spinnrad stammt, so erzählten mir die Besitzer, ursprünglich aus einer Sammlung eines bekannten Ehepaars aus der Region Nordheide. Vermutlich hat der Ehemann Rad und Haspel nach dem Krieg gekauft – und da Verbindung nach England bestanden habe, läge ich mit meinem Bauchgefühl wahrscheinlich richtig, das beides aus England stammen könnte. Für diese Theorie spricht auch die Herstellungsweise: so fein gedrechselte Arbeiten, verziert mit (Elfen-)Bein und versehen mit Messingbeschlägen habe ich aus deutscher Fertigung noch nicht gesehen. Das Schwungrad bzw. der Außenreif ist sogar komplett aus Messing… das ist schon sehr ungewöhnlich. So fein gedrechselte Spinnräder habe ich bisher nur bei den „Hochzeitsrädern“ gesehen… aber dies hier erschien mir schon die ganze Zeit eher aus England zu stammen. Vielleicht auch Frankreich, so fein und schön ausgewogene Proportionen lassen auf eine Zeit schließen, wo man solche Dinge zu schätzen wusste …

Jedenfalls habe ich mich sehr gefreut, das schöne Set kaufen zu können – und ein sehr netter Kontakt zu dem verkaufenden Ehepaar gab es noch dazu. Die Geschichten hinter den Objekten zu erfahren, ist für mich immer das Allerschönste! Und so habe mich dann auch recht zügig im Netz nach ähnlichen Rädern umgeschaut … und umgeschaut … und nichts gefunden. Erst als ich mir überlegt habe, wie alt das Rad tatsächlich sein könnte und die Tatsache, das es wahrscheinlich aus England stammt, brachte mich schließlich auf die richtige Spur.

Bei „Christies“, dem berühmten englischen Auktionshaus, wurde 2003 ein sehr ähnliches Rad angeboten – und dort fand ich auch eine Datumsangabe: 19 Jahrhundert. Das muss ich erst mal verdauen: dieses Rad ist nicht nur alt, nein, es ist eine echte Antiquität. OMG!  Meine weitere Suche förderte nur ein einziges, weiteres Spinnrad dieser Ausführung zutage … ebenfalls in einem englischen Auktionshaus 2007 verkauft, ebenfalls mit derselben Zeitangabe.

Verkaufstext „Christies“ vom 19. Februar 2003:
„Sale 9565: English and Continental Furniture, and Tapestries –
London, South Kensington“

A fruitwood and ebonized brass spinning wheel / 19th century, with ebonized ball finial and spindle turned spokes on ring turned tapered feet with foot treadle — 47½in. (121cm.) high / Price realised GBP 235

Der Wahnsinn! Ich freue mich so über das wunderhübsche Rad und die schöne Haspel! Falls jemand noch mehr weiß, würde ich mich sehr freuen, davon zu hören … ich hoffe, genauer herauszubekommen, aus welcher Region Englands es stammt und ich würde so gern das Herstellungsdatum eingrenzen wollen.