Omana Industries Ltd. – „Jenny“ (syn: „Sleeping Beauty“)
Dieses Spinnrad habe ich im Juni 2024 in Meine (der Ort liegt zwischen Braunschweig und Gifhorn) von Frau G. gekauft. Das Rad hatte sie vor gut 25 Jahren geschenkt bekommen – konnte mir aber leider nicht sagen, von wem oder woher. Auch war es nach einem Sturz auf die Achswelle potenziell defekt… So hatte sie es auf der bekannten Kleinanzeigen-Plattformen eingestellt und ich konnte es kaufen. (**)
Nur ein oder zwei Modelle dieses Spinnrades habe ich – seit ich mich für Spinnräder interessiere, also in den letzten 10 Jahren- bisher online zu Gesicht bekommen. Es erinnerte mich sofort an das „Traditional“ des neuseeländischen Spinnrad-Herstellers „Ashford“… und da es diesem so unglaublich ähnlich ist, hielt ich es bis vor kurzem möglich, dass es eine Ashford-Sonderedition sein könne, von der in der „Timeline“ und auf der Homepage aus irgendeinem Grund jedoch nichts erwähnt ist.
Eine Hypothese, die ich jetzt jedoch verwerfen konnte, denn mit dem Rad kam auch ein Karton mit Spulen, Federn & Schrauben und diversen weiteren Einzelteilen in meinen Besitz. Und auch Kopien von Spinnbüchern sowie eine Blättersammlung von weiteren Spinninfos. Doch ganz hinten in diesem Papphefter war ein kleiner Schatz versteckt: die original Aufbauanleitung! So konnte ich endlich den Hersteller benennen: „Omana Industries Limited“, Neuseeland. Hui, das war doch mal ein hilfreicher Fund!
Wenn ihr mal schauen wollt: hier ist die erste Seite der Anleitung Omana Aufbauanleitung Jenny Sleeping_Beauty
Bei meiner Suche nach weiteren Infos zu meinem Rad im Internet wurde ich jedoch nur schwer fündig: denn diese Firma gibt es schon lange nicht mehr. Instagram und Pinterest geben nichts her, auch eine Fotosuche beim großen Google-Gott zeigte mir nichts Neues. Etwas Frust machte sich bei mir breit… sollte das Rad einfach zu alt sein, dass sich brauchbare Infos online finden ließen?
Doch dann fand ich eine phantastisch recherchierte Seite: nzspinnngwheelsinfo(dot)wordpress(dot)com (*) . Endlich mehr Infos für mein fragendes, mich plagendes Hirn!
Also: Das Modell der „Jenny“ wurde ursprünglich von Mr. Ray Chrisholm entwickelt und dann -in der Ära der „Omana Industries Ltd.“ weiter hergestellt (*). Offenbar hoffte man, mit den „Traditionals“ von Ashford konkurrieren zu können. Alle sogenannten „Sleeping Beauty Wheels“ wurden aus einem neuseeländischen Holz namens Tawa hergestellt – nur das Antriebsrad der „Jenny“ fertigte man aus furnierter Faserplatte.
„Sleeping Beauty“ übersetzt man sich leicht wortwörtlich mit „schlafender Schönheit“. Doch gemeint ist natürlich das bekannte Märchen „Dornröschen“ der Gebrüder Grimm, welches also auch in Neuseeland bekannt ist. Und auch viele andere Märchen, wie wir gleich noch erfahren werden!
Einschub (m)einer kleinen Infobox: die Chronologie des Herstellers „Omana Industries Ltd.“ (Quelle: nzspinningwheels *)
1960: Der Name „Sleeping Beauty“ ist wohl auf den ersten Namensgeber, Mr Alex Baille aus Auckland, zurückzuführen. Er bemerkte Mitte der 1960er Jahre ein gestiegenes Interesse an „Dornröschen“-Spinnrädern und entwarf ein Spinnrad mit zweifädigem Antrieb. Zu dieser Zeit produzierte Ashford bereits erfolgreich (seit 1942) Spinnräder, die jedoch einfädig und mit schottischer Bremse ausgestattet waren – und vielleicht wollte er daher einfach ein zweifädiges Rad herstellen. Auf der Grundlage eines Rades, das der verstorbene Inhaber von „The Wheel and Loom“, Mr. Jean McDonell, Auckland, ihm verkauft hatte, entstand das erste Spinnrad nach Sächsischer Bauart (im englischsprachigen Raum auch oft kurz „Saxony“ genannt), welches unter dem Namen „Sleeping Beauty“ vermarktet wurde.
Teile davon wurden bei der Firma „Woodturners NZ Ltd.“ hergestellt. Die Räder wurden dann mit Hilfe des Geschäftspartners Ross Maxwell zusammen gebaut und verkauft.
1970: bis Anfang des Jahres 1970 wurden nur ca. 40 Räder produziert, dann starb Ross Maxwell. Später wurden sie von seinem Nachfolger Roy Coop zusammengesetzt, der neuer Geschäftspartner von Mr. Baille wurde. Dann wurden weitere Räder entwickelt und gebaut: das kleine, tragbare „Thumbelina“ (also: Däumelinchen), dann die „Serena“ die mit einem Antriebsrad aus Spanplatte hergestellt wurde.
1977 kam der „Princess Indian Spinner“ hinzu: ein Spinnrad, welches für dicke Garne ausgelegt war.
1979 kam die zusammenklappbare „Pixe“ heraus, welche mittels Tragegurt mitgenommen werden konnte. Dieses Modell scheint jedoch nie in Serie gegangen zu sen. Außerdem gab es im Programm noch eine „Snow White“-Rotationskarde (also: Schneewittchen) und ein 24-Zoll-Tschwebstuhl „Cinderella“…
1978: Diese Modelle wurden zu 70% nach Kanada, Großbritannien, Australien, Holland und Japan verkauft – der Preis für ein Rad lag 1978 bei 105,60 NZ$.
1982: Roy Coop erkrankte und das Unternehmen „Baille and Watts“ wurde an „Fisher and Payne Finance“ verkauft, die es in „Omana Industries Ltd.“ umbenannten und eine Broschüre herausbrachten, auf der das erste „Sleeping Beauty“- Spinnrad, dann das „Thumbelina“ , die „Jenny“, das „Pixie“ und zuletzt der „Princess Indian Spinner“ zu sehen sind. Das Dornröschen-Rad und die „Jenny“ sind Ziegen nach sächsischer Bauart, die anderen drei Bockräder.
1983: Im Juli kaufte Ray Chrisholm das Unternehmen und fusionierte es mit dem ebenfalls kürzlich von Phlip Poore gekauften Unternehmen „Pipycraft“. Die „Omana“-Broschüre verwendete er wohl weiterhin.
1987 wurden die zusammengelegten Unternehmen an „Ashford“ verkauft.
Wow! Was für eine Fülle an Infos! Ich muss mich unbedingt bei den Machern dieser Homepage bedanken!!!
Nun kann ich also mit Sicherheit sagen, dass meine „Jenny“ sehr wahrscheinlich zwischen 1982 und 1987 hergestellt und verkauft wurde. Vielleicht kam sie auch über Umwege nach Deutschland… wer weiß?
Auch ist mir jetzt klar, warum viele Personen, die Fotos von dem Rad im Internet online stellen, dieses Modell fälschlicherweise als „Sleeping Beauty“ benennen. Steht es doch auf dem kleinen Metallschild, welches am Kopf des Rades angenagelt ist, so vermerkt. Korrekt ist jedoch, das „Omana“ alle Räder ihrer Kollektion so betitelt haben: sozusagen als Überschrift, als zusammenfassenden Begriff der angebotenen Kollektion. Die Fußzeile des Briefkopfes trägt hier zur Aufklärung bei, denn dort steht der Firmenslogan vermerkt: „Manufacturers of Sleeping Beauty Craft Products“ (in etwa: Hersteller von Dornröschen-Kunsthandwerk-Produkten). Somit erklären sich auch die anderen Bezeichnungen der Produkte, denn sie wurden deutschen Märchentiteln entlehnt.
Auf jeden Fall habe ich „Jenny“ erst einmal auseinander gebaut und mir auch den Sturzschaden an der Achse genauer angesehen. Das Kugellager ist dort aus dem Holz des tragenden Standholzes herausgebrochen. Jemand hat einen aus Holz gemachten Ring darum angepasst, der auf den flach angeschliffenen Standholz-Kopf geklebt und geschraubt wurde. Nicht sehr schön, aber wirkungsvoll! Nach eingehender Begutachtung habe ich diese Konstruktion einfach wieder fest geleimt und nur noch mit etwas Holzkitt verstärkt.
Das fehlende Distanzstück, welches innerhalb des Kopfholzes fehlte, machte mir jedoch mehr Sorgen. Damit hatte die Achse einfach zu viel Spiel, das Schwundrad lief unrund und ich fürchtete, alles würde sich im Dauerbetrieb wieder loswackeln und erneut auseinander brechen. Was den Schaden letztlich nur vergrößert hätte. Doch wie sagte meine Oma so schön? „Wer hegt, der hat was!“ In meiner „Spinnrad-Zubehör-das-schmeiß-ich-vielleicht-viiieeel-später-mal-weg-Kiste“ fand ich das Gesuchte: den Einzugsöffnungs-Verkleinerer meines großen Ashford-Spinnflügels. Ha! Und er passte ganz genau auf die Achse und in das vorgesehene Bohrloch des Holms! Ein kleines Freudentänzchen hab ich hingelegt, zugegeben 🙂 Und jetzt läuft das Antriebsrad wieder super schön rund, ganz sauber und leise. *ichfreumchso*
Das Rad wurde dann von mir neu lasiert: klare, offenporige Wachslasur, wasserverdünnbar, kann ich Euch nur wärmstens empfehlen. Ein paar Kleinigkeiten habe ich noch justiert, ein paar Unterlegscheiben ergänzt, etwas Metall poliert, einen neuen Antriebsriemen und eine Antriebsschnur aufgezogen und nun spinnt es wieder ganz fein!
(**) An dieser Stelle möchte ich nicht vergessen, Dir, lieber Dirk und Ihnen, Herrn H. für de Unterstützung zu danken:
ich freu mich immer noch über die „Mitreisemöglichkeit“! 🙂 Mein herzlichstes Dankeschön!
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Hersteller:
Omana Industries Limited / „Manufacturers of Sleeping Beauty Craft Products“
29 Keeling Road, Henderson / P.O. Box 21-233 / Auckland / New Zealand / Tel. 09-836-4685
(die Firma existierte von 1982 bis August 1987 – dann wurde sie von Ashford aufgekauft)
Antrieb: einfädig, spulengebremst, Einzeltritt
Schwungraddurchmesser: 58,5 cm
Abmessungen: 91 H x 75 B x 32 T
Gewicht: 6,1 kg
Holz: neusseländisches Tawa (#)
Farben: Natur lasiert / Walnussfarbig (dunkelbraun) / Mahagonifarben (rotbraun) gebeizt (Fotonachweise der Beizungen im www.)
Spulenlager: Leder
Spulenkapazität: ca. 120 Gramm
Der Preis für ein Sleeping-Beauty-Rad lag 1978 bei 105,60 NZ$ – das wären heute, Mitte 2024, 61€
Ursprünglich war die „Jenny“ mit dreistöckiger Lazykate und Einzugsfädler ausgestattet (fehlen beide bei diesem Rad)
(#) Tawa ist ein Stadtteil von Wellington, der Hauptstadt von Neuseeland.
(#) Tawa ist aber auch der Name für einen aufrechten, breitblättrigen und immergrünen Baum, der bis zu 30 Meter hoch und sehr alt werden kann. Der Stamm dieses Baumes ist dunkel gefärbt und glatt im Aussehen, kann aber u.U. über und über mit Flechten bedeckt sein. Die pflaumenfarbigen Früchte, die sich im März/April entwickeln, sind etwa so groß wie eine Olive und werden von Kereru-Vögeln gegessen. Die Größe dieser Früchte und der Kerne bedeutet, dass nur diese einheimischen Vögel in der Lage sind, die Samen zu verbreiten. Sie allein können die Früchte fressen und die Samen unversehrt wieder auszuscheiden, um so den Baumbestand weiter zu verbreiten.
Tawa ist ein hartes Spezialholz, das nie in großen Mengen produziert wurde. Die langen Vogelspeere der Maori wurden in vor-europäischer Zeit aus Tawa hergestellt, da man das Holz in lange, gerade Holzschäfte spalten kann. Es ist geruch- und geschmacksneutral. Diese Hölzer haben einen Platz in der Lagerung und Verpackung von Lebensmitteln gefunden. Butterkannen wurden in der Kolonialzeit wegen der geschmacksneutralen Eigenschaften aus Tawa hergestellt. Auch für Fußböden, gedrechselte Griffe und Möbel wurde es verwendet. Und für Spinnräder 🙂