Heute ist es also geschehen…
Seit langem habe ich schon gesagt, dass ich meine Schafe spätestens dann abgeben würde, wenn ich „die Sechzig“ erreicht haben würde. Es war immer so eine gedankliche Grenze für mich, denn ein paar Jahre, nachdem ich die ersten Tiere hatte, dachte manchmal, ich würde „später“ vielleicht anderes tun wollen. Vielleicht wäre die Rente schon in greifbare Nähe gerückt? Vielleicht wären schon Enkelkinder da? Oder vielleicht würde ich auch körperlich meinen Grenzen näher kommen? Womöglich würde ich einfach neue Ideen, neue Perspektiven haben… oder ich müsste mich vielleicht um noch ganz andere, unerwartete Dinge kümmern müssen. Das Leben ist ja bekanntlich eine Wundertüte. Auf jeden Fall war das eine zeitliche Marke für mich – warum auch immer; meine Gedanken von „damals“ kann ich heute gar nicht mehr in Worte fassen.
Seit mein geliebter Schafbock „Norbert“ im Juli 2012 in mein Leben gekommen ist; seit er mit seinen vier Damen zusammen auf der Streuobstwiese in Hohenrode „eingezogen“ ist, sind diese wundervollen Tiere ein guter Tel meines Lebens, meines Lernens, meines Erlebens gewesen. Sie haben mich Geduld und Langmut gelehrt, mich zum Lachen und Weinen gebracht, mir Ärger und Freude gebracht. Ich habe Geburten und Tode gesehen, bin in strömendem Regen und bei glühender Hitze bei ihnen gewesen, habe sie heimlich beobachtet oder sie rufend zu mir gelockt – und dabei habe ich die ganze Bandbreite Ihrer Charaktere zu schätzen und einzuschätzen gelernt. Jedes einzelne Tier hat seine speziellen Geschichten, die ich erzählen könnte (und hier teilweise auch erzählt habe), jedes Schaf hat sein eigenes Gesicht, sein eigenes Temperament. Viele waren mir lieb, viele hatte ich ganz besonders lieb – und keines werde ich wohl je vergessen können.
Alle sind ein Teil meiner Reise in diesem Leben und haben mir so viel gegeben, haben mich so viel gelehrt. Ich möchte keinen Tag mit meinen Skudden missen!
Und doch gab es schon immer diese Gewissheit in mir, dass ich die Schafhaltung irgendwann in neue Hände legen wollen würde. Vielleicht habe ich mir selbst diese Grenze gesetzt, um mich gedanklich daran zu gewöhnen. Nicht, dass ich es je überdrüssig geworden wäre! Doch auch mein Leben hat sich in einigen Punkten grundlegend geändert… Und manchmal, so denke ich jetzt, ist es gut, wenn man Chancen ergreift, so sie sich bieten. (Meine „60“ ist zwar noch etwas hin – aber auf was soll ich denn warten, wenn sich etwas so gut fügt?)
Also: vor einiger Zeit durfte ich Sarah kennen lernen – und vielleicht kennt Ihr das Gefühl, spontan jemandem zugetan zu sein. Und oft ist da noch mehr, man kann es gar nicht genau sagen – doch es fühlte sich für mich leicht und einfach absolut passend und überaus richtig an, als ich ihr meine Schafdamen anbot. Wir besprachen die Idee (sozusagen) von allen Seiten und waren uns schnell einig: das war ein wirklich guter Plan für uns – und auch für die Skudden!
Sie kommen nun bei Sarah auf einen Bauernhof und haben dort einige Hektar Wiese zu pflegen, die direkt an die Gebäude grenzen. Es gibt einige Hühner zur Gesellschaft, sie bekommen einen schönen Stall und Sarah ist am frühen Nachmittag daheim und kann sich an den Damen erfreuen, statt (wie bisher) Stunden auf dem Aufsitzmäher herumzufahren. Die Gruppe darf zusammen bleiben und zusammen alt werden – und sie werden geliebt und geschätzt, da bin ich mir ganz sicher!
Und dennoch bin ich jetzt, da ich dies schreibe, ziemlich wehmütig: es waren lange, schöne 13 Jahre mit diesen wunderschönen Schafen. Und ich liebe die Streuobstwiese, auf der ich sooft war, ich kenne jeden Baum, jeden Strauch, jeden Ameisenhügel und jedes Sonnen- oder Schattenplätzchen. Ich weiß, wann hunderte Glühwürmchen in der Dämmerung fliegen, wo die Singdrossel ihre Schneckenschmiede hat, wann ich die dunklen Waldeidechsen am besten beobachten kann. Wann wilde Brombeeren, „Schneiders Späte“ Knorpelkirschen und meine geliebten Renette-Äpfel reif sind. An welchen Stellen Fuchs & Dachs unter dem Zaun durchschlüpfen und wo das Reh locker drüber zu springen pflegt, um sich vor den Jägern zu verstecken, wenn es die ersten Schüsse hört. Wo Parasol- und Fliegenpilze wachsen – und wo die Schafe sich versteckten, um ihre Lämmer zu gebären. Wie ich meinen Kindern und meinem Lebensgefährten zum ersten Mal ein neugeborenes Lamm auf den Arm gab: und das unglaubliche Staunen über ein so kleines, neues Leben in deren Augen. Tausend Erinnerungen, die ich hüten werde wie einen kleinen Schatz. Alles vorbei – aber nun für immer in meinem Herzen.
Es ist heute ein ganz anderer Schmerz den ich heute verspüre, als der, der mich ebenso anfiel, als ich meine beiden Ziegenböcke gehen lassen musste. Damals wusste ich, dass jemand anderes den Ziegen ein viel besseres Zuhause bieten würde können, als ich es je hätte tun können. Heute verspüre ich den Trennungsschmerz, den Abschied von meinen geliebten Schafdamen genauso – doch es ist viel, viel mehr Freude über den überaus guten Neuanfang dabei. Und es ist einfach unglaublich beruhigend zu wissen, dass es wirklich die beste Lösung ist, frei zu geben, was man liebt. Damit auch Andere diese besonderen Tiere auf Ihre Weise lieben lernen können.
Liebe Sarah, ich bin sehr froh, dass Du nun mit demselben Enthusiasmus, mit derselben Energie, mit derselben Leidenschaft und Freude an die Haltung dieser – mir so überaus liebgewonnen Tiere- herangehst. Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du eben so viel Freude mit ihnen haben wirst, wie ich es hatte. Wenn irgendetwas ist, ruf mich an: ich bin immer da, wenn Du Hilfe benötigst!
____________________________________________________________
Nachtrag:
diese nette Mal erreichte mich am 3.4.25 und kam von der lieben Melanie – ist das nicht unfassbar nett und mitfühlend geschrieben?
Liebe Britta- wie geht es dir?
Sylke hatte mir den link weitergeleitet, der mich zu deinem Post gebracht hat, dass du deine Skudden in vertrauensvolle Hände abgeben wirst…. Deine Worte und Gedanken zu lesen, deine Liebe und Geschichte mit deinen Schafen zu spüren und zu fühlen…..haben mich sehr berührt und ich musste das erst einmal ein paar Tage sacken lassen….. Du ohne deine Skudden….. an den Gedanken muss ich mich erst einmal herantasten und ihn zulassen….Das fällt mir gerade noch sehr schwer…
Umso mehr bewundere ich dich und deine Kraft, das loszulassen, was du so sehr liebst…..denn ich bin mir sehr sicher, dass es dich innerlich auf eine harte Reise schickt mit allen Gefühlen der Trauer, aber auch der unendlichen Dankbarkeit und Liebe ….
(…) Ich schicke dir ganz liebe Grüße! Melanie
Kommentare