Raabenwolle

Jürgen Schönwolff „Trageleicht“

Bereits 2019 hatte ich mich für das „Trageleicht von Herrn Schönwolff interessiert – doch damals war es mir aus verschiedenen Gründen nicht möglich, eines zu kaufen. Als ich Anfang Februar 2024 eines im „grünen Kleinanzeigen-Universum“ gesehen habe, entschied ich mich spontan, das kleine Dingelchen bei mir einziehen zu lassen: ich hatte das Design schon immer gemocht… Als es ankam, hat die Vorbesitzerin es natürlich fein zusammen geklappt und den Spinnkopf herunter genommen, was mich erst einmal vor die Aufgabe stellte, es ohne Aufbauanleitung aufbauen zu dürfen. Das war ein kleines Fest für mich, denn so lerne ich die Räder immer am genauesten kennen: sich die Funktionsweise selbst logisch zu erarbeiten macht mir immer besonderen Spaß.  

Als erstes musste ich etwas mit den Schnellspannverschlüssen herumprobieren, die man einfach normal dreht, um sie zu lösen oder fest zu ziehen. Wenn man mit der Festigkeit zufrieden ist, zieht man den Griff des Spanners etwas von der Schraube ab, um kann dann den Knebel so positionieren, dass er z.B. parallel zum Rahmen steht. Er zieht sich selbstständig wieder in die Ursprungsposition zurück. Sie sind groß genug, liegen gut in der Hand und sind griffig. Eine sehr praktische und gelungene Umsetzung.

Logischerweise richtet man den Standrahmen von unten nach oben hin auf. Zuerst muss man jedoch das Sicherungsholz hinten im Rahmen mit dem Haken einhaken und dann mittels der Schraube zwischen den Trittbrettern fixieren. Dieses Holz ist schon mal sehr cool geformt und erinnert an den Griff eines Regenschirmes. Es dient zur Stabilisierung und zum Abstützen des Standrahmens.

Als nächstes ist der unterste Schnellspanner dran: Schnellspanner lösen, Holzsegment gerade aufgestellt, Schnellspanner angezogen, fertig. Schön. Jetzt der mittlere Spanner: ebenfalls lösen, Holz ausrichten, anziehen. Auch fertig. Dann der obere: das geht wirklich gut und schnell.

Den gesamten Spinnkopf steckt man von vorn durch das Loch am obersten Holzsegment. Befestigt wird es mit den beiden seitlich angebrachten Schrauben, die für einen mittig ausgerichteten Sitz sorgen. Als letztes wird von oben die dritte Schraube eingesetzt, die den Kopf zusätzlich fixiert. Logischerweise achtet man hier darauf, dass der Antriebsriemen des Schwungrades in einer Flucht mit dem metallenen Wirtel des Spinnkopfes steht, da der Riemen sonst nicht parallel läuft und womöglich abspringt. Oder der Antrieb wäre unnötig schwergängig – da möchte man ja auch nicht.

Als nächstes habe ich mir die Spulenbremse angeschaut: der Nylonfaden muss ebenfalls ausgerichtet werden, da sonst Schleifgeräusche der Spule hörbar sind. Durch Lösen einer seitlich eingelassenen Madenschraube lässt sich der ganze Arm auf der Achse des Spinnflügels verschieben, bis der Faden mit der Rille der Spule in einer Flucht liegt. Fix die Schraube wieder mit dem Imbus-Schlüssel festgezogen und schon läuft die Spule fast geräuschlos! Da Herr Schönwolff bei den Spulenwänden offenbar einfach eine Lage des Multiplex-Holzes entfernt hat, kann es sein, dass die Laufrinne bei den Spulen an unterschiedlicher Stelle sitzt. Um das auszugleichen, kann man hier ganz schnell eine entsprechende Anpassung vornehmen. Ein Blick auf meine vier Spulen zeigt: der Imbus-Satz wird wohl am Rad verbleiben, denn alle Spulen haben die Rinne für die Spulenbremse woanders. Gut zu wissen…

Die Achse des Spinnflügels hat vorn eine abgeflachte Seite: hier wird der Spinnflügel aufgesteckt und die Fixierschraube muss mit dem Gewindeende an dieser Stelle fassen, damit der Spinnflügel fest fixiert ist. Selbstredend lässt man hierbei ein oder zwei Millimeter Spiel vom Querholm des Flügels zur Spulenwand, damit die Spule frei drehen kann und nicht schleift. Mehr sollte es jedoch nicht sein, damit die Spule beim Spinnen nicht klappert!

-> Beim späteren Betrachten des Spinnkopfes fiel mir auf, dass mein „Trageleicht“ eines der ersten Modelle zu sein scheint, die Herr Schönwolff hergestellt hat: die Spinn-Öse am Flügel ist bei dem kleinen Schätzchen noch kein verstellbarer O-Ring, sondern eine Art Schraube mit geschlossenem Bügelchen darauf. Neuere Fotos im Netz zeigen u.a. diese Verbesserung.
-> Auch der Spannbolzen zur Fadenspannung (ein kleiner Stab mit schwarzem Kugelkopf) ist bei meinem Rad noch zum Einstecken in das Metall gemacht worden. Die neuen Spulenbremsen sind von Herrn Schönwolff dagegen so konstruiert, dass der Stab ganz durch die Metallführung gesteckt wird.
-> Meine Spulenbremse erweist sich beim späteren spinnen als gewöhnungsbedürftig, was die Feinjustierung angeht. Eine zusätzlich angebrachte Spannfeder am Nylonfaden und ein bisschen Washi-Tape auf der Spitze des Metallstabes vom Drehknaufes machen die Spulenbremse sofort besser einstellbar.

Als letztes musste ich nun nur noch die beiden Knechtstangen wieder montieren. An den Rückseiten der Tritte sind kleine Kugelköpfe montiert, auf die die Endstücke der Knechte passen: ein bisschen Wälzlagerfett habe ich noch spendiert, damit das Metall nicht reibt oder es zu Knackgeräuschen kommt. Die Stangen der Antriebs-Achse sind so raffiniert angebracht, dass sie knapp aneinander vorbeipassen, wenn man das Rad spinnt.  Sicherlich sollte man den freien und reibungslosen Lauf erst vorsichtig von Hand testen, bevor man mit den Füßen anspinnt. Schrappen die Metallknechte aneinander, muss man die Schnellspanner lösen und den Standholmaufbau entsprechend neu justieren! Dieser Fauxpas scheint auch meiner Vorbesitzerin passiert zu sein, denn in dem Paket lag eine verbogene Knechtstange mit bei… Doch wenn man dieses kleine Schmuckstück gut behandelt und mit etwas Sorgfalt und gutem Augenmaß auf- und abbaut, sollte es zu keinem solchen Missgeschick kommen.

Bei der Betrachtung der Kugeln, die auf Metallgewinden sitzen und das Gegenstück bzw. die Enden der Knechtstangen aufnehmen, fielen mir die schönen, gut durchdachten Details das erste Mal so richtig auf. Wenn man die Abstände der Stangen zueinander fix verstellen will, benötigt man nur einen Maulschlüssel, um das Gewinde an der entsprechend verdickten Stelle der Schraube festzuhalten. Die Kontermutter wird mit einem zweiten Schlüssel gelöst, die Schaube etwas herausgedreht, dann die Kontermutter wieder festziehen und schon ist der Abstand vergrößert. Formschön und technisch elegant gelöst: doofe Unterlegscheiben sind hier nicht nötig.

Aber jetzt! Anspinnen! Als erstes musste ich feststellen, dass mir persönlich die Trittbretter zwar etwas eng beieinander standen, aber das war ganz schnell vergessen, denn das Rad spann und spinnt ganz fein und gleichmäßig. Man sitzt weit genug von der Spinnöse weg, die Hände haben recht viel Platz vor dem Spinnkopf, um auch einen kurzen Auszug entspannt zu spinnen. Der Winkel der Trittbretter ist angenehm, und die mittleren Trittbrettstangen drücken nicht unter den Socken in die Fußsohlen, da man die Füße gar nicht so fest aufsetzen muss: das Rad läuft leicht an und spinnt, erst einmal im Schwung, ohne viel Muskelkraft weiter. Für meine Körpergröße von 1,70 Meter ist das Rad sehr gut passend – Menschen mit viel kürzeren Beinen werden wohl zu nah vor dem Spinnkopf enden, um sich wohl zu fühlen. Das Rädchen steht gut fest, obwohl es sehr leicht ist. Einzig bei bestimmten Spinngeschwindigkeiten neigt es zum aufschaukeln: hier hilft schnell, die Trittgeschwindigkeit minimal zu verlangsamen.

Sobald man die Konstruktionstechnik verstanden hat, ist dieses Rädchen ein kleines Meisterwerk, das artig spinnt und sich gut einstellen und anpassen lässt! Man sieht besonders den exakt verarbeiteten Metallteilen an, dass hier ein Ingenieur mit Liebe zum Handwerk und viel Sachkenntnis am Werk war. Es ist keine Massenware, die Bearbeitungsspuren sind besonders am Metall sichtbar, und genau das macht letztlich den Reiz des Rades aus. Wer also ein Hochglanz-Spinnrad in Vollendung sein Eigen möchte, wer das optisch perfekt polierte Metall, das edelste Holz in zigfacher Lackierung sucht, wird mit dem „Trageleicht“ nicht zufrieden sein. Wer dagegen ein zartes und doch ausdrucksstarkes, ein leichtes und dabei stabil konstruiertes Rad sucht, wird hier fündig. Es hat Charme und Stil und ist technisch durchdacht. Ein Rad für den zweiten, liebevollen Blick!

PS: Und das Zusammenklappen erfolgt -auch ganz logisch- in umgekehrter Reihenfolge am besten.

 

 

Spinnrad „Trageleicht“ von Jürgen Schönwolff, Vlotho

erhältlich seit:      September 2018 / incl. UmSt 408€
Korpus:                 Buche / 2x mit Hartwachsöl beschichtet
Gewicht:                4562g
Technik:                Doppeltritt, Einfädiger Antrieb mittels Polycord, Spulengebremst
Spulen:                  3 Standard-Spulen mit Alukern, Flügel mit Schiebehaken
Maße:                    74 H x 40 B x 40 cm T
Reiserad:              mittels Schnellspannverschlüssen zusammenklappbar / Kopf beim Tragen abklappbar
Klappmaß             ca. 40 B x 27 H x 43 cm T
Übersetzung         1:6,6

Optionales Zubehör:
Lazy Kate:            für links oder rechts – 24 € / Preis 2019
Transportbox:     111 € / Preis 2019
Wirtel:                  bis zu einer Übersetzung von 1:21,33 möglich
ArtYarn Bügel:   statt Standardeinzugsbügel bestellbar


Aktuelle Preise / Ausführungen / Lieferzeit der aktuellen Räder:
auf Anfrage / via Kontaktformular bei Herrn Schönwolff!