Raabenwolle

„Altes Rahmenspinnrad“

Im Netz rumzappen und auf bekannten Verkaufsplattformen „nur mal eben“ nach angebotenen Spinnrädern schauen ist böse…ganz böse. Und meist endet es für mich -wie so oft- mit einer (bestenfalls) überschaubaren Geldausgabe. Und später nach der Suche nach einem geeigneten Standort für das neue Schätzchen. Und noch etwas später mit noch mehr online-Suche über das Rädchen meines Begehrens im Netz. So auch hier…  

Die meisten Räder im Netz sind leider in erbärmlichen Zustand: unvollständig oder falsch restauriert, mit Holzwurm oder Wasserschäden, im „shabby-look“ übergestrichen, mit fehlenden Spinnköpfen oder Spulen oder gebrochenen Hölzern zu haben. Wenn ich aus Neugier nach angebotenen Rädern schaue, scheiden die meisten auf Grund dieser Kriterien schon mal aus. Meist sind es auch „Brot- und Butter-Räder“ oder schlicht nichts wirklich Besonderes, weil sie zu Hunderten so oder ähnlich hergestellt werden – oder wurden.

Aber dieses Rädchen sprang mir ins Auge: sanft farblich abgesetzt, in Originalzustand, mit schönen Drechselelementen  geschmückt ohne damit überfrachtet zu sein …hmmm. Da lohnte sich ein zweiter Blick und ein paar Tage danach folgten noch einige mehr. Dann sprach ich die Verkäuferin zaghaft per Messenger-Dienst an, ab es nicht eine Mitreisegelegenheit in meine Gegend bekommen könnte?! Tja, was soll ich sagen? Ein paar Tage später stand es dann, gut in einem riesigen Karton verpackt, in der Diele.

So ein Rahmenspinnrad habe ich noch nie besponnen… es hat keine metallenen Einzugshaken und es ist insgesamt eher klein und zart, aber doch sehr stabil gebaut. Die Achse lässt sich mit dem Rad leicht herausheben, da es mit den raffinierten Knebeln beidseits zwar sicher festgesteckt, aber ebenso leicht zu lösen ist. Suuuper durchdacht!

Die bisherige Besitzerin hatte mir ein paar Einzelheiten verraten, die ich hier weitergeben möchte:

Zur Herkunft des Rädchens weiss ich leider nicht viel. Ich hab es (…) von einem Herrn in Mitteldeutschland gekauft und ihn bekniet, bis er es versendet hat. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, es war Sachsen oder Thüringen, meine ich. Dann habe ich es gangbar gemacht und mir zwei Spulen nachdrehen lassen. (…) Diese Rahmenbauweise war quer durch Deutschland bis rüber nach Frankreich verbreitet und das Rädchen ist echt in einem tollen Zustand. Das war das erste waagerechte Rahmenrad, welches ich auftreiben konnte. (…), diese Art Rahmenräder – im Gegensatz zu den „hochkanten“ alpinen/süddeutschen mit seitlichem Einzug, ist quer durch Deutschland bis Frankreich belegt. Sehr viel mehr weiß ich aus eigener Erfahrung auch nicht. Zumindest ist dieses Rad eines, was nicht bei armen Bauern gestanden hat, die sind meist etwas derber gebaut und so schöne dekorative Speichen-Drechseleien sind auch nichts bäuerliches, simples. Also gehörte es vermutlich eher einer reicheren Bauers- oder Bürgerfrau. Upperclass auch wieder nicht, die hatten gern Intarsien aus Bein…also ein Mittelklassemodell quasi.

Was mich an dem Rad immer begeistert hat, war, dass es nicht durch Restaurationsversuche vermurkst wurde. Alles noch original. Grobe Schätzung Ende 19. Jhdt. Ok, der Haken ist von mir und der Antriebsriemen auch … Bitte keine Baumarkthaken eindrehen! Damals nahm man Schlehenhölzchen und zwar im ersten Loch hinter der Spinndüse eines zum Umlenken und ein Zweites wurde immer versetzt. In Ermangelung von Schlehe hab ich welche aus Thuja geschnitzt, das zweite ist irgendwie verschwunden, aber das kriegst Du sicher hin ein Ersatzästchen einzustecken.

Ein paar Tage später habe ich in einem gaaanz langen Telefonat mit der Verkäuferin noch viel mehr über das Rad lernen können. Wir rätselten an der Herkunft herum und kamen beide auf die gleiche Region, die wir auf Grund der schönen Bemalung in rot und grün sowie der grazilen und geschmackvollen Rahmenbauweise in Tirol vermuten. Diese Theorie muss ich später unbedingt mal überprüfen – vielleicht finde ich ähnlich gebaute Musikinstrumente aus der Region? Ich habe mich wegen der Farben und des Holzes an einen Urlaub in dieser Gegend erinnert gefühlt: dort sehen die Musikinstrumente (Zithern) sehr ähnlich gestaltet aus … hmmm… das muss ich mal prüfen.

Auf jeden Fall ist es einmal recht ungeschickt dunkler gebeizt und somit optisch gealtert worden: wenn man den Spinnkopf mit dem Führungsholz bewegt, sieht man, dass es beim Anstrich nicht auseinander gebaut wurde. Auch wenn man es umdreht und von unten betrachtet, sieht man „Läufer“ der dunklen Lasur unter den ungestrichenen Querhölzern. Das ist schon rätselhaft!

Morgen gehe ich auf jeden Fall mal Schlehenhölzer holen, um mir standesgemäße Haken für den Spinnflügel zu machen. Ich bin schon gespannt, wie es sich dann spinnt!