Neulich hatte ein Bericht über meine Handspinnerei in der Zeitung gestanden – und daraufhin meldete sich Frau Landfester bei mir, die leider den Hausstand Ihrer Eltern auflösen muss… und aus diesem Haushalt bot sie mir ein altes Flachsrad nebst Wocken an. Dieses freundliche Angebot konnte ich natürlich nicht ablehnen.
Das Spinnrad entpuppte sich als alte, dunkel gebeizte „Ziege“, welche leider nicht mehr zum spinnen verwendet werden kann, da einfach zu viele wichtige Teile fehlen. Der aufgebäumte Flachs jedoch ist sehr außergewöhnlich dekoriert – so eine schöne Art und Weise habe ich bisher noch nicht gesehen!
Der eigentliche Schatz versteckte sich jedoch in diversen alten Kunststofftüten, wie ich sie aus meiner Jugendzeit kenne. Eine knallrot-weiße von Kaisers (Lebensmittelgeschäft) und eine mit schokobraunem Aufdruck vom Salamander-Schuhhaus „Kreft“ waren auch dabei. In letzterer fand ich einen Kassenbon über 19DM und 40Pfennige über ein Paar Salamander-Schuhe, per Kassenstempel datiert „30 V 74“ – also vom 30.Mai 1974.
Nachdem ich alle Flachszöpfe aus den Tüten und von alten Papierschnipseln befreit hatte (ein paar Mäuse hatten das umhüllende Zeitungspapier zu Fetzen von Nestmaterial zerknabbert) war ich völlig erstaunt, wie fein dieser Flachs seinerzeit gehechelt (gekämmt) worden ist. Wunderbat weich und seidig fühlt er sich an, riecht überhaupt nicht muffig und hat überdies seinen wunderschönen Glanz über all die Jahre erhalten! Dem Kassenbon in der Tüte zufolge ist er ja mindestens 51 Jahre alt – doch ich denke, er wird tatsächlich viel, viel älter sein. Womöglich wurde der Leinen sogar weit vor dem 2. Weltkrieg angebaut… doch das lässt sich kaum noch nachvollziehen.
„Der Flachsanbau in Niedersachsen, insbesondere im Landkreis Schaumburg, hat eine lange Tradition. Bereits im 19. Jahrhundert war der Anbau von Flachs weit verbreitet und spielte eine wichtige Rolle in der ländlichen Wirtschaft. In den 1870er Jahren war der Flachsanbau ein bedeutender Zusatzverdienst für viele Bauernhöfe“ verrät mir das Internet. Und: in der Lüneburger Heide wurde um 1870 ebenfalls Leinen angebaut.
Man unterscheidet übrigens zwei Nutzungsrichtungen der Pflanze „Lein“, welche fünf zarte, runde vergissmeinnichtblaue Bütenblätter besitzt : Faserlein und Öllein. Der Faserlein wird traditionellerweise „Flachs“ genannt. Daraus hergestellte Textilien heißen dann „Leinen“. Die hellgrüne Pflanze besitzt einen langen und unverzweigten Stängel, der unter einer seiner Epidermis den sogenannten „Bast“ wachsen lässt, in dem sich die nutzbaren Fasern verbergen. Der Faseranteil am Gesamtgewicht beträgt 10 bis 30%. Für die Handspinnerei wurden Faserlängen von ca. 50 cm benötigt… Und man schätzt, dass man für 1 kg Rohflachs ca. 6-7 Quadratmeter Flachsanbaufläche benötigt hat: natürlich hängt (und hing) das immer von den Anbaubedingungen wie z.B. der Bodenqualität, den Witterungsbedingungen und noch vielen anderen Dingen ab.
Meine 7,7 kg Flachsfasern, wann immer sie nun hergestellt worden sind, sind also aus 26kg (= 30% Faserausbeute) bis 77kg Rohflachs (= 10% Faserausbeute) gewonnen worden, welcher auf ca. 70 Quadratmetern angebaut wurde. Wow! Wenn das mal kein echter Schatz ist!
Vielen Dank, Frau Landfester! Was ich mit diesem Flachsschatz machen werde, weiß ich noch nicht… aber ich werde dafür sorgen, dass er geschätzt wird! Versprochen!
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