Raabenwolle

Schwedisches „Tisch-Spinnrad“

Dieses Spinnrad habe ich im Juli 2024 von einer lieben Spinnschülern übernommen, die es wiederum von jemandem gekauft hat, der in Schweden Urlaub machte. 2018 wurde in Son (etwas unterhalb von Oslo) ein Haus verkauft, und dort stand dieses schöne Spinnrad.

„Schwedische Ziegen“ spinnen (meiner Erfahrung nach) fast immer wunderbar: die großen Räder drehen leicht, die Trittbretter knirschen leise beim Treten. Ganz zauberhaft. Auch diese Schönheit benötigte nur etwas Wälzlagerfett auf de Achse, nachdem ich diese Teile zuvor von Schmutz und Rost befreit hatte. Ein wenig Klarwachs auf Ölbasis, und schon fühlt sich das Holz wieder weich und zart an. Das breite, schon etwas ausgetretene Trittbrett zeugt vom langen Gebrauch: der nackte Fuß spürt, wo schon so viele andere Füße aufgesetzt wurden und eine leichte Mulde getreten haben.

Alle Metallteile sind wunderbar passgenau handgeschmiedet und kleine Kunstwerke für sich. Das ganze Rad wird nur von Holznägeln zusammen gehalten und doch sind alle Verbindungen immer noch fest und standsicher. Das bringt mich zu der Annahme, dass dieses Tischrad viel älter ist, als es aussieht.

Diese Spinnradprinzessin ist aber noch aus einem anderen Grund etwas Besonderes: das Hauptbrett (engl. „mother of all“) ist ganz gerade, völlig Horizontal angeordnet. (Üblicherweise steht dieses Brett bauartbedingt immer leicht schräg.)  Dese Art der Spinnräder nennt man daher „Tisch-Spinnräder“: sie stehen so gerade ausgerichtet wie bei einer Tischplatte. Es gibt auch Doppeltisch-Räder – doch bei diesem hier ist der zweite Tisch nicht sehr ausgeprägt. Der Tisch selbst ist nicht geschlitzt, das Rad steht darüber.

Es verfügt über einen integrierten Spulenhalter: da die Originalaufnahmen fehlen, habe ich sie einfach durch Bambusstäbe ersetzt. Hoffentlich finde ich noch zwei passende Spulen!

Außerdem erkennt man an diesem Rad sehr schön, was auch heute noch zum justieren des Antriebsrades gern wieder gebaut wird. Die beiden horizontalen Streben haben je ein Gewinde, mit welchem man die Wirtel der Spule parallel zum Antriebsrad ausrichten kann: dadurch springt der Antriebsfaden nicht so leicht ab und ein reibungsloser Lauf des Antriebsfadens wird gewährleistet.  Diese bewährte Technik wird heute u.a. von der polnischen Firma Kromski & Sons bei der „Polonaise“ verwendet. Ein Rad, dass auf (Zitat) „alte, baltische Muster anspielt“, was das Aussehen angeht…

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Hersteller: Unbekannt
Herkunft:   stand in einem Haus in Son, Schweden (liegt unterhalb von Oslo), welches 2018 verkauft wurde.  

Antrieb:                                  zweifädig, Einzeltritt
Schwungraddurchmesser: 63 cm
Achse:                                     geschmiedet, auf Messingplättchen gelagert

Abmessungen:                      98 H x 98 B x 44 T
Gewicht:                                 6,7 kg
Holz:                                       ? Weichholz / Kiefer ?
Farben:                                  Naturholz, lasiert / gewachst

Spulenlager:                         Leder
Spulenkapazität:                 ca. 100 Gramm

Es fehlen zwei Spulen und der Wocken.
Gebaut vermutlich zwischen 1860 und 1920.