Manchmal glaubt man, sich versehen zu haben: im Sinne von ver-sehen. Also: nicht richtig hingeschaut zu haben. Ein Hirngespinst gehabt zu haben. Eine Fata Morgana. Oder, in meinem Fall, eine Elster Morgana.
Heute ist es wieder passiert: als ich Feierabend hatte und mit meinem kleinen „Nuccolino“ langsam auf unsere holperige Zufahrt einbog, saht ich abermals eine Elster auf einem meiner liegenden Schafböcke sitzen. Ohne nachzudenken hielt ich an. Und staunte. Einfach so, ohne etwas zu machen, ganz ruhig und entspannt, saß sie da und schaute in der Gegend herum. Als sie mein Auto sah, stand sie auf und hopste auf der mir abgewandten Seite auf den Boden. Dennoch nahm ich schnell mein Handy zur Hand – und ich hatte dieses mal Glück: sie sprang gleich darauf wieder auf „Benitos“ Rücken und ich konnte ein Foto machen, bevor sie direkt von seinem Rücken aus davonflog.
Verwackelt und somit leider unschaf möchte ich es Euch dennoch zeigen: ich bin so froh, dass es mir gelungen ist, dieses Verhalten zu dokumentieren. Es hört sich einfach nach „Anglerlatein“ an, wenn ich es erzählen würde, ohne es belegen zu können! Umso mehr freut es mich, schnell genug gewesen zu sein. Und vielleicht erwische ich Herrn oder Frau Elster ja noch einmal dabei…
Nun nervt mich mein Gehirn geradezu mit der Frage: warum sitzt die Elster so entspannt auf meinen liegenden Schafen herum?
- Kalte Füße können es ja kaum sein, auch wenn meine Mama das scherzhaft vermutete.
(Vögel haben kaum durchblutete Füße, damit sie nicht so viel Körperwärme verlieren… insbesondere Wasservögel.) - Fiese, dicke Fliegen sind um diese Zeit kaum welche unterwegs, die sich hätten im Fell verfangen können, weil sie vom Schafgeruch angelockt worden wären. Zumal ich die Elster das erste Mal im Winter auf „Fergus“ hatte sitzen sehen: da waren erst recht keine Fliegen zwecks Eiablage unterwegs. Diese hätten Eier auch grundsätzlich lieber in offene Wunden gelegt – und nicht in den „Mittelscheitel“ auf dem Schafrücken. Und darüber hinaus sind meine Böcke alle völlig unverletzt!
- Irgendwelche anderen Insekten hätten gar kein Interesse an den Schafen… und Parasiten haben meine Tiere nicht in der Wolle.
- Auch andere Vögel sitzen auf Schafen: Krähen, zum Beispiel. Das Internet ist voll von Fotos… aber nirgends ist eine (für mich) schlüssige und befriedigende Erklärung zu finden.
Tja, und an dieser Stelle kann ich dann nicht aufhören, darüber nachzudenken. Einen triftigen Grund zu finden. Irgendeinen. Mein komischer Kopf gibt keine Ruhe, so ist es einfach. Immer. 🙂
Und irgendwann denke ich mir dann: vielleicht hat die Elster ja auch einfach Spaß daran, ein wenig höher zu sitzen und somit alles besser beobachten zu können, als wenn sie direkt auf dem Boden ruhen würde…
Oder womöglich mag sie die Gesellschaft von Schafen einfach gern: Elstern sind hochintelligente und sehr gesellige Vögel! Und Schafe sind nett, ruhig und einfach toll. Das haben die schlauen Rabenvögel sicher schon längst mitbekommen, so oft, wie sie auf der Wiese herumhüpfen!
Oder vielleicht brütet Frau Elster gerade und ihrem Mann war langweilig.
Oder er zieht die Gesellschaft von den schweigsamen Schafen der seiner keckernden Artgenossen (oder seiner meckernden Frau) einfach vor. Ein ruhebedürftiger Familienvater, der einfach entspannen möchte – und dabei weich sitzen mag, weil im gemeinsamen Nest zu viel Kindergeschrei und auch gar kein Platz mehr für ihn ist. Der die hungrige, quengelige Brut einfach mal satt hat. Dem von-seiner-Frau-Futter-suchen die Flügel weh tun. Der einfach müde, genervt und kaputt ist. Und jetzt eine kuschelige Sitzgelegenheit bei entspannten Freunden genießt.
Genau so könnte es doch sein, nicht wahr?
Dazu spuckt mir mein Kopf (zu allem Überfluss) auch noch eine Erinnerung an die Zeichnung „Wohnmobil mit Fußbodenheizung“ von Wolf-Rüdiger Marunde aus.
Eine Kleingarten-Szene, Schrebergartenambiente. Ein beiges Schaf weidet friedlich vor sich hin, zwei Hühner suchen nahebei Futter. Die Kirche, Lauben und ein Gewächshaus im Hintergrund, blauer Himmel, grüne Weidefläche. Auf dem Schafrücken ein Nest, darin zwei Krähen. Frau Krähe fragt besorgt: „Und Du bist ganz sicher, dass Schafe sich niemals wälzen?“ Darauf Herr Krähe: „Absolut sicher, Liebes.“
Und ich muss gniggern: Schafe wälzen sich nicht. Sie schütteln sich nur. Regelmäßig.
Danke, Herr Marunde!
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