Eine Freundin brachte mir einen Hausrotschwanz, der aus einen völlig unzugänglichen Nest, welches unter dem Dachfirst in ungefähr 10 Metern Höhe hing, gefallen war. Keine Chance, den kleinen Piper da wieder rein zu setzen und ihm (oder ihr?) so sofort zu helfen. Denn das wäre sicher für das Tier die beste Lösung gewesen … aber leider hatten wir keine Leiter, die lang genug gewesen wäre.
Die nächstgelegene Wildtierstation hatte geschlossen und so rief ich meinerseits bei einer Freundin an, die Tierärztin ist und sich in der Pflege von Wildtieren auskennt. Nachdem ich mich so kundig wie irgend möglich gemacht hatte, nahm ich es mit Hilfe der Kinder auf mich, den Nestling zu päppeln. Rotschwänze sind reine Insektenfresser, das sieht man nicht zuletzt am feinen und schmalen Schnabel.
Mehlwürmer schieden als alleinige Futterquelle aus, denn sie sind viel zu nährstoffreich … und kleine Raupen unter Blättern an Büschen zu suchen schien mir wenig Erfolg versprechend. Ich fliege so schlecht. – Woher also Futter nehmen und nicht stehlen? Zum Glück haben wir in der Nähe einen Reiterhof. An der Stalltür saßen hunderte von Fliegen. Also erst mal Massenmord begehen … nicht schön, aber es funktionierte. Täglich waren wir ein- oder zweimal zu Besuch auf dem Hof. (Anbei eine kleine Rätselfrage: wie viele Fliegen passen in eine Streichholzschachtel?? Na?) Grashüpfer ließen sich auch gut fangen, entwischten aber immer wieder aus der Schachtel. Mücken, Käferchen, Spinnen und Weberknechte waren nicht mehr sicher bei und vor uns.
So gaben wir knapp zwei Wochen alles: tagsüber jede halbe Stunde füttern, Nachts eine Sonderschicht (Anfangs auch drei) einlegen. „Olaf“ meldete sich umgehend, wenn er Hunger hatte und riss den Schnabel weit auf, nachdem er uns erst einmal als Ersatzeltern akzeptiert hatte. Ein wenig lockendes Piepen während des Fütterns hatten ihn schließlich überzeugt.
Nach einer Woche wollte er dann nicht mehr in der flachen Schale sitzen, die bisher als Nest gedient hatte … ein Platz am Fenster sollte es schon sein. Ständig hüpfte Olaf heraus und in der Wohnung herum. Keine wirklich gute Idee, wie ich fand. Die Hunde waren zum Glück nur irritiert und nicht sehr neugierig. Dennoch machten mir diese Ausflüge kein gutes Gefühl. Zum Glück kam ich beim Abwasche spontan auf eine andere Möglichkeit, was ich für ein Ersatznest mit Ausblick benutzen könnte … „Olaf“ war schwer begeistert und nahm regen Anteil an dem, was er draußen sah. Andere Vögel, besonders unsere Hausspatzen, welche er von seinem „Nest“ aus beobachten konnte, hatten es ihm angetan. Inzwischen war er fast flügge und ab und an wollte er schon losflattern.
Da kam der Anruf meiner Freundin recht: sie hatte seit Tagen das Nest beobachtet und berichtete, die Jungvögel würden von den Eltern aus dem Nest gelockt. Zwei säßen schon in der nahegelegen Hecke! Also ab ins Auto mit „Olaf“ und los! Zum Nest zurück waren es nur gut 10 Minuten mit dem Auto. Unser Plan ging auf: wir konnten „Olaf“ zu seinen fünf Geschwistern in die Hecke setzen und die Eltern nahmen ihn sofort an. Durchs Küchenfenster der Nachbarin konnten wir zu unserer großen Erleichterung die Familienzusammenführung gut beobachten.
Dann mal viel Glück, „Olaf“!
Ach, was für eine wunderbare Geschichte! Und wie gut, dass sie so gut ausgegangen ist!!! Das erste Foto von Olaf in Deinem Album hatte es mir ja schon angetan, aber das vom Vogel in der Kanne ist ja einfach nur göttlich!!! Tausend Grüße an Dich und Deinen Zoo, Sylke